Dachsanierung Hangar 3 am Flughafen München

26 April 2022 , MEFA Blogteam

Luftaufnahme vom Wartungshangar 4 (vorne) und dem etwa doppelt so großen Wartungshangar 3 (hinten) auf dem Flughafen München.
Bild: Michael Fritz für den Flughafen München

Starkregenereignisse stellen Gebäude, Industrieanlagen und ganze Städte vor immer größere Herausforderungen. Neben den allgemein bekannten Schadensfällen stellen die Wassermassen auch ein Problem für Flachdächer dar: Diese haben am Rand eine Aufkantung (Attika), damit die Dachabdichtung angeschlossen werden kann und Aufbauten von der Erde aus unsichtbar bleiben. Bei Starkregen kommt die Entwässerung über die Kanalisation oft an ihre Grenzen und der Wasserspiegel auf dem Dach steigt schnell an. Dabei kann es im Extremfall sogar zur Überlastung der Dachkonstruktion kommen.

Deshalb fordert die DIN 1986-100 neben der herkömmlichen Entwässerung in die Kanalisation eine zusätzliche Notentwässerung, die das Dach in einem Freistrahl auf das Grundstück entwässert. „Auslegungsgrundlage für eine Notentwässerung ist der 5-minütige Jahrhundertregen, für den es Tabellenwerte gibt. Solche Ereignisse sind örtlich begrenzt und die Regenmengen sind regional zudem sehr unterschiedlich“, berichtet Architekt Arne Zucker von GFM Bau- und Umweltingenieure in München, der die Dachsanierung für den Hangar 3 des Flughafens München geplant hat. Der Jahrhundertregen ist durch die Regenmenge gekennzeichnet, die alle 100 Jahre einmal statistisch zu erwarten ist.

Dachkonstruktion der Halle – Blick von Süden auf die geschlossene Nordwand der Halle. Die Rohrtrassen für die Notentwässerung waren so einzufügen, dass der Betrieb von Kranbahnen weiter möglich war und die Durchfahrtshöhe nicht eingeschränkt wurde.

Bild: Saint-Gobain

Norm erfordert zusätzliche Notentwässerung

 

„Als der Hangar 3 vor 30 Jahren gebaut wurde, stand die Notentwässerung noch nicht in der Norm“, führt Zucker weiter aus, „seitdem haben Starkregenereignisse aber zugenommen. Auch wenn bislang am Hangar 3 nichts passiert ist, so ist doch spätestens dann, wenn eine Baumaßnahme ansteht, hier die fällige Dachsanierung, das Gebäude auf den aktuellen Stand mit Notentwässerung nach Norm zu bringen.“ Um ein Gefühl für die Zahlen zu vermitteln, gibt Zucker Größen für den Flughafen München an. Das 5-jährige 5-minütige Regenereignis liefert demnach eine Regenspende von 250 Liter pro Sekunde und Hektar. Demgegenüber liefert der 5-minütige Jahrhundertregen 775 Liter pro Sekunde und Hektar. Der Fünfjahresregen ist die Auslegungsgrundlage für die reguläre Entwässerung. Die Notentwässerung soll dagegen den 100-jährigen 5-Minutenregen alleine abführen können, da die Regelentwässerung am Kanal auch einmal verstopft sein könnte und ggf. nicht frei abfließen kann.

Beim Hangar 3 konnte die vorhandene, reguläre Entwässerung in die Kanalisation bestehen bleiben. Für größere Regenereignisse wurde eine Entwässerung mit Druckströmung gewählt. Bei dieser Betriebsweise füllen sich die Leitungen vollständig mit Wasser, was über eine Querschnittsverengung in der Nähe des Rohrleitungsendes erreicht wird. Der geodätische Höhenunterschied sorgt dann für Strömungsgeschwindigkeiten, die wesentlich über den Geschwindigkeiten der Freispiegelentwässerung liegen, bei der die Rohre nur zum Teil mit Wasser gefüllt sind. Vorteile der Druckströmung sind kleinere Rohrdimensionen, Selbstreinigung durch hohe Fließgeschwindigkeiten, die Verlegung ohne Gefälle und als Folge davon flache Abhängekonstruktionen unterhalb der Decke.

Bei der Umleitung der Wasserströmung, hier um 90° mit Höhenversatz, treten hohe Kräfte auf, die berechnet und durch die Konstruktion der Rohrbefestigungen abgefangen werden müssen.

Bild: Saint-Gobain

Ein Rohrabzweig der Notentwässerung, in den die Wassermassen von einem Dachablauf eingekoppelt werden. Weiter hinten sind unter dem Dach auch die Stutzen für weitere Abläufe der Notentwässerung zu sehen.

Bild: Frank Behnisch, Manfred Himmelreich & Co. GmbH

Für die Entwässerungsrohre wurde als Werkstoff Gusseisen gewählt. Im Vergleich zu Kunststoffen hat Guss eine höhere Festigkeit und eine wesentlich geringere thermische Längenausdehnung. Zudem sollten gemäß Brandschutzkonzept möglichst keine brennbaren Baustoffe zum Einsatz kommen.

Die Halle im Südwesten des Münchner Flughafengeländes hat eine Breite von 305 m und ist nach Ost-West ausgerichtet. Sie ist etwa in der Mitte durch eine Brandschutzwand zweigeteilt. Die Tiefe beträgt ca. 84 m und die Höhe 32 m. Die Zweiteilung der Halle ermöglicht eine Dachsanierung in Abschnitten. Nach Norden hin schließen flachere Gebäude an und nach Süden zum Rollfeld hin gibt es einen etwas niedrigeren Vorbau mit 5,5 m Tiefe, in den die Tore eingebaut sind.

Ost-Fassade des Hangars 3: Das Gebäude hat mit insgesamt 305 m Breite, 84 m Tiefe und 32 m Höhe imposante Ausmaße und ist im Innenbereich durch eine Brandschutzwand in zwei Teile getrennt.

Bild: Saint-Gobain

Notentwässerung läuft nur bei großen Regenmengen

 

Gemäß Flachdachrichtlinie muss das Gefälle 2 % betragen. Die Dachoberfläche ist so gestaltet, dass sich das Wasser in zwei linienförmigen Senken sammelt, die in Ost-West-Richtung verlaufen. Dort sind auch die Abläufe der alten Regelentwässerung aufgereiht. In rund 1 m Entfernung von den Tiefpunkten der Senken entfernt, also leicht erhöht, sind die Abläufe für die Notentwässerung, 44 Stück je Hallenhälfte, im Dach platziert. Diese haben einen Aufstauring, sodass sich die Notentwässerung erst bei einer Wasserspiegelhöhe von rund 10 cm aktiviert. Ihre volle Leistung erhält sie, wenn sie nochmal um 5 cm überspült wird, wie Arne Zucker ausführt.

Pro Hallenhälfte wurden fünf Rohrtrassen für die Notentwässerung geplant, davon eine für den südlichen Vorbau. Mit der Vorgabe der Trassenführung konnte der Gussrohrhersteller Saint-Gobain die Hydraulik und die erforderlichen Durchmesser – hier bis zu 300 mm – berechnen. Damit waren Gewichte und auch Kräfte für die Umleitung der Wasserströme für den Auslegungsfall bekannt. Als Nächstes ging es an die Auslegung und Konstruktion der Rohrhalterungen, für die die GFM Bau- und Umweltingenieure den MEFA Planungssupport in Anspruch nahm. Zudem lieferten wir natürlich auch die Komponenten für die Rohrleitungsmontage.

Pro Hallenhälfte führen jetzt zwei Ausgänge der Notentwässerung ins Freie. Da eine Hallenhälfte ungefähr einen Hektar Fläche hat, treten im Fall des 100-jährigen Regenereignisses insgesamt rund 500 l/s verteilt auf zwei Auslässe aus. Das ist eine ziemliche Wucht und so wurden an den Austrittsstellen auffällige Markierungen und Warnschilder angebracht. Da schon 50 Liter pro Sekunde und Hektar als Starkregen empfunden werden, wie Arne Zucker zum Vergleich anführt, dürfte sich bei den größeren Ereignissen aber kaum ein Mensch freiwillig im Gefahrenbereich aufhalten.

Plan der Osthälfte des Hangars 3: Die reguläre Entwässerung ist rot gekennzeichnet und die Leitungen und Abläufe für die Notentwässerungen N1 bis N5 grün, violett und hellblau. Die Austrittsstellen der Notentwässerung sind durch eine auffällige Schraffur gekennzeichnet.

Bild: Flughafen München

Zur Planung im Detail

 

Das Einfügen der Rohrtrassen in das vorhandene Tragwerk war bei diesem Projekt oft eine Herausforderung, denn nicht immer war die vorhandene Struktur nutzbar und so waren in vielen Fällen zusätzliche Träger anzubringen. Insgesamt wurden rund 1,3 km Gussrohr in bis zu 32 m Höhe an die Deckenkonstruktion montiert. Die Gussrohre haben eine Standardlänge von 3 m und werden meist an zwei Stellen befestigt. Für die Rohre mit 300 mm Durchmesser war wegen der hohen Gewichte sogar eine 3-fache Aufhängung vorgesehen. Die Aufgabe des MEFA Planungssupports war dabei die Detailplanung und Auslegung der Rohrabhängungen und vor allem die Berechnung der Festpunkte, denn beim Umlenken der Wassermassen unter Volllast treten hohe Kräfte auf, die von der Rohrbefestigung in das Tragwerk eingeleitet werden müssen. Ein paar Zahlen demonstrieren die Größe des Projekts: Insgesamt waren 60 Festpunkte erforderlich, es wurden Montageschienen mit insgesamt 1750 m Länge verarbeitet, hinzu kommen 3550 m Gewindestangen und 1100 Rohrschellen.

Bei der Trassenführung wurde nach Möglichkeit selbstverständlich das vorhandene Tragwerk genutzt. Das Bild aus dem Bereich des Vorbaus nach Süden hin zeigt, wie die Montage ohne Anbohren der Stahlträger in der Praxis funktioniert.

Bild: Saint-Gobain

Oft war das vorhandene Tragwerk für die Trassenführung jedoch nicht nutzbar. Dann mussten zusätzliche Träger montiert werden. Im Hintergrund rechts verläuft die alte Entwässerung, die längs der Tiefpunkte des Flachdachs verläuft.

Bild: Frank Behnisch, Manfred Himmelreich & Co. GmbH

Ein weiterer Punkt ist die Kompensation der thermischen Ausdehnung. Im jahreszeitlichen Wechsel treten keine Probleme auf, weil sich die Stahlkonstruktion des Dachs und die Gussrohre in ähnlichem Umfang ausdehnen. Beim Starkregenereignis sieht das anders aus, denn im Sommer kann die Temperatur unter dem Dach durchaus 50 °C betragen. Wenn es dann mal zu einem heftigen Gewitter kommt, bei dem das Wasser vielleicht eine Temperatur von 20 °C oder weniger hat, dann treten in Anbetracht der Hallendimensionen erhebliche Längenänderungen der Rohrleitungen auf. Diese sind durch Gleitelemente in den Rohrbefestigungen und andere konstruktive Maßnahmen zu kompensieren.

Rationelle Montage durch Vorfertigung

 

Die Montage vor Ort hat die Firma Manfred Himmelreich & Co. GmbH in München ausgeführt. Geschäftsführer Sebastian Beer: „Mit diesem anspruchsvollen und nicht alltäglichen Projekt habe ich meinen Obermonteur Frank Behnisch als Bauleiter betraut, einen sehr erfahrenen Mann, der sich zudem stets Gedanken über eine möglichst rationelle Montage macht, was gerade bei solchen Projekten alleine wegen der großen Massen, die zu verarbeiten sind, absolut entscheidend ist.“  

Im Zusammenspiel des Planungsbüros GFM mit dem MEFA Planungssupport entstanden die Detailpläne und die Festigkeitsnachweise für die Rohrleitungsbefestigungen. Anschließend hat Behnisch in einem provisorischen Werkstattbereich am Hallenboden für jede Befestigungssituation Muster gebaut. Nach Prüfung und Probemontage wurde dann in Serie gefertigt. „So mussten wir nur noch fertige Baugruppen auf 30 m Höhe hieven und montieren, was die Arbeiten erheblich vereinfachte. In Anbetracht der schwindelerregenden Höhen ist der Vorteil der Vorfertigung ganz offensichtlich, aber eine werkstattmäßige Vormontage von sich wiederholenden Baugruppen ist auch sonst absolut empfehlenswert. Wir machen uns hierzu immer schon im Vorfeld Gedanken, wie wir das am sinnvollsten umsetzen können“, erzählt Obermonteur Frank Behnisch. Denn Vormontage schont den Faktor Arbeit, der heute immer wertvoller wird. Das Zusammensetzen von Baugruppen, oft unter räumlich sehr beengten Verhältnissen in Schächten, im Versorgungstunnel oder wie hier in 30 m Höhe, ist natürlich eine erhebliche Mehrbelastung für die Monteure. Zudem spart die Vormontage unter Werkstattbedingungen kostbare Zeit auf der Baustelle und gibt Planungssicherheit.​​​​

Montage in 30 Meter Höhe – da müssen die Monteure von Himmelreich schon schwindelfrei sein. Im Hintergrund ist die Südseite mit ihren Schiebetoren zu sehen.

Bild: Saint-Gobain

Provisorischer Werkstattbereich der Anlagenbaufirma Manfred Himmelreich. Hier wurden die Prototypen für die Befestigungstechnik gebaut. Nach der Prüfung gingen diese in die Serienfertigung. Im Hintergrund sind die Tore auf der Südseite des Hangars zu sehen.

Bild: Saint-Gobain

In diesem Zusammenhang bieten wir auch Vormontagen ab Werk an. Das Unternehmen Himmelreich hat dieses Zusatzangebot jedoch nicht in Anspruch genommen, schließlich waren die Bedingungen für eine Vormontage in der Flugzeughalle sehr günstig. Immerhin bezog das Montageunternehmen aber zugeschnittene Montageschienen für die Vormontage der Baugruppen vor Ort. „Für uns alle war der Bau der Notentwässerung aufgrund der nicht alltäglichen Herausforderungen ein ganz besonders spannendes Projekt“, meint Frank Behnisch abschließend.

Die Vorfertigung von Baugruppen für die Rohrleitungsaufhängung erleichtert die Montage erheblich. Die einzelnen Gruppen wurden bei diesem Projekt in großen Stückzahlen im Werkstattbereich hergestellt.

Bild: Saint-Gobain

Lagerstelle für die vorgefertigten Module. Da Träger im Stahlbau aus statischen Gründen nicht angebohrt werden dürfen, ermöglichen diese Befestigungsmittel eine Verbindung durch Verklemmen. Die Abstandswinkel verhindern ein Verrutschen zur Seite.

Bild: Saint-Gobain

Starker Support durch die Lieferanten

 

„Und trotz vieler Parteien, die bei diesem Projekt beteiligt waren, verlief das Bauvorhaben relativ reibungsarm und zufriedenstellend“, wie Arne Zucker zusammenfasst. "Die Lieferanten MEFA und Saint-Gobain haben ihre Berechnungen und Pläne immer in angemessenen Zeiten zuverlässig geliefert und bei jeder Frage an die Unternehmen habe ich stets zeitnah kompetente Antworten bekommen."